Kristian Riis spricht über Erfolge und Fehler auf dem Weg an die Spitze

In seinem Büro an der Nyropsgade in Kopenhagen herrscht rege Betriebsamkeit: Telefone klingeln, Mitarbeiter besprechen sich, andere sind an ihren Schreibtischen in ihre Arbeit vertieft. Doch das was in seiner Agentur Volcano passiert, ist nur ein Teil der Arbeitswelt von Kristian Riis. Der 37-jährige Däne ist nicht nur erfolgreicher Geschäftsmann, sondern auch selbst Musiker. Im Interview spricht er offen über die Fehler, die seine Band auf dem Weg nach oben gemacht hat und gibt Tipps an Musiker, die gerade durchstarten wollen.
Ein etwas anderer Arbeitsplatz: Kristian Riis (rechts) tauscht die rege Betriebsamkeit in seinem Büro ab und an gegen die großen Bühnen des Landes ein. Hier ist er zusammen mit Sänger Simon Kvamm auf dem Grøn Concert in Aarhus zu sehen. Foto: Michael Boe Laigaard

Ein etwas anderer Arbeitsplatz: Kristian Riis (rechts) tauscht die rege Betriebsamkeit in seinem Büro ab und an gegen die großen Bühnen des Landes ein. Hier ist er zusammen mit Sänger Simon Kvamm auf dem Grøn Concert in Aarhus zu sehen. Foto: Michael Boe Laigaard

Seit 1996 ist Kristian Riis  Gitarrist bei Nephew – einer der erfolgreichsten dänischen Rockbands. Seit ihrem Durchbruch im Jahr 2004 verkauften sie rund eine halbe Millionen Alben und 300.000 Singles. Außerdem sind sie eine der gefragtesten Live-Bands des Landes. Sie spielen auf Festivals vor bis zu 60.000 Zuschauern, ihre Arena-Konzerte im Herbst 2013 werden bis zu 16.000 Menschen pro Abend besuchen. Das ist nicht schlecht, bei gerade mal 5,6 Millionen Dänen.

Nachwuchsförderung: Der dänische Musikstar Kristian Riis will sein Wissen an junge und aufstrebende Künstler und Mitarbeiter der Musikbranche weitergeben

Für Kristian Riis ist es wichtig sein Wissen an junge, aufstrebende Künstler weiterzugeben. Und natürlich auch an die Menschen, die hinter den Kulissen arbeiten. Aus diesem Grund engagiert sich Riis unter anderem bei Music2Business, coacht dort junge Talente. „Die Musikbranche braucht immer gut ausgebildeten Nachwuchs, sowohl auf der künstlerischen als auch auf der administrativen Seite.“ Music2business richtet sich an Solokünstler, Bandmitglieder, Produzenten, Songwriter, Booker, Manager, Promoter oder an alle, die für eine Venue, eine Plattenfirma oder ähnliches arbeiten. In den Kursen lernen die Teilnehmer alles, was nicht mit Musik zu tun hat.

Kristian Riis ist einer der Partner der Kopenhagener Agentur Volcano.

Kristian Riis ist einer der Partner der Kopenhagener Agentur Volcano.

„Music2business bereitet dich auf eine Musikindustrie vor, die gerade dabei ist, sich radikal zu verändern und in der traditionelle Businessmodelle unter Druck geraten und kaum mehr funktionieren. Music2Buisness gibt Dir das Handwerkzeug fokussiert, strategisch und professionell zu arbeiten. Auf diese Weise wird es Dir leichter fallen, das kommerzielle Potenzial von Musik voll auszuschöpfen.“ Sprich: die Teilnehmer lernen in acht Modulen, wie sie mit ihrem Talent genug Geld verdienen, um davon leben zu können. Außerdem können sie ein hervorragendes Netzwerk aufbauen – mit Leuten, die entweder in derselben Situation sind, wie sie selbst und natürlich auch mit Menschen, die schon erfolgreich in der Musikindustrie arbeiten.

Für Nephew war der Weg nach oben nicht immer ein leichter

Kristian Riis weiß wovon er spricht, wenn er die Kursteilnehmer auf die Musikindustrie vorbereitet. Für Nephew war der Weg an die Spitze nämlich alles Andere als leicht: Bevor sich 2004 der kommerzielle Erfolg einstellte, existierte die Band bereits seit sieben Jahren. „Wir glaubten an unsere Musik, doch niemand sonst schien daran zu glauben.“ Kristian Riis und auch die anderen Bandmitglieder arbeiteten damals sehr hart, um Nephew bekannter zu machen. „Ich legte mein Studium auf Eis und telefonierte den ganzen Tag mit Venues und versuchte sie davon zu überzeugen, uns zu buchen.“ Wenn er gefragt wurde, warum eine Venue ausgerechnete Nephew buchen sollte, hatte er damals eine Antwort parat: „Weil wir das Publikum mitbringen.“ Um das sicherzustellen, spielten sie mittags einen kurzen Gig am örtlichen Gymnasium, spielten im Plattenladen, verteilten Flyer in der Fußgängerzone und gaben schließlich noch Interviews beim Lokalradio.

KRISTIAN RIIS Part 1 – Nephew, before the breakthrough from Rebel Academy on Vimeo.

Aus heutiger Sicht weiß Kristian Riis, was damals alles falsch gelaufen ist – warum sie sieben Jahre bis zum Durchbruch brauchten. „Unser Netzwerk war schlecht aufgestellt, wir kannten niemanden in der Musikbranche.“ Kristian Riis sagt zudem, dass das erste Demo und die erste Platte der Band nicht gut waren. „Wir haben uns zu sehr auf das Verkaufen konzentriert anstatt auf unsere Produkte. Manchmal hätten wir mehr Zeit zum Proben aufwenden sollen und weniger Zeit fürs Verkaufen.“ Hätten sie dann die richtigen Produkte am Start gehabt, hätten sie sich wieder aufs Verkaufen konzentrieren können. Das alles sei ein Teil des Lernprozesses gewesen. „Ich bin nicht traurig darüber, dass wir so lange gebraucht haben, bis wir erfolgreich wurden. Viele neue Bands, die schnell groß werden, fallen auch genauso schnell wieder, weil sie nicht bereit dafür sind. Wir waren Ende Zwanzig, als sich der Erfolg einstellte und wir hatten eine solide Basis, auf der wir aufbauen konnten.“

Nephew bemühen sich immer als visuelle Einheit aufzutreten, wie hier auf ihrer China-Tour in Shanghai im Jahr 2011.

Nephew bemühen sich immer als visuelle Einheit aufzutreten, wie hier auf ihrer China-Tour in Shanghai im Jahr 2011.

Ein weiterer Fehler den Nephew damals machten: „Und unser visuelles Bild machte absolut keinen Sinn.“ Mittlerweile tragen Nephew eine Art Uniform, sind immer gleich gekleidet. Und etablieren damit einen visuellen Wiedererkennungswert. Der muss gar nicht mal ausgeflippt sein. „Es würde auch überhaupt keinen Sinn machen, wenn wir plötzlich beispielsweise wie Krieger verkleidet auftreten würden. Das passt nicht zu unserer Musik.“ Gleiche Jeans und gleiche Hemden mit auffälligen, aufgebügelten Logos, schwarze Schuhe oder Turnschuhe – und fertig ist die visuelle Identität.

Nephew lernten im Laufe ihrer Karriere, das es nicht nur wichtig ist gute Musik zu machen, sondern der Band auch eine Identität, ein Branding zu geben. „Anfangs waren wir einfach nur vier Freunde, die gerne Musik machen. Mit der Zeit hat sich dann herauskristallisiert, dass wir eine wirklich gute Live-Band sind.“ Also überlegten sich Nephew, wie sie auf der Bühne, passend zur Musik rüberkommen wollten. Eine stage persona musste her. „Wir sind ganz normale Menschen, die nicht übers Wasser gehen können. Jungs, wie du und ich.“ Auf der Bühne sollte diese Authentizität noch immer greifbar sein, gepaart mit einem Schuss Unnahbarkeit und Coolness. „Wir sehen uns selbst als eine poppigere Version von Rammstein.“

Soundidentität: Keine Angst vor der Schublade – aber mit Wiedererkennungswert!

Auch an der Soundidentität haben Nephew hart gearbeitet. Es war wichtig einen Wiedererkennungswert zu haben und sich in die richtige Schublade einzuordnen. „In Deutschland haben wir versucht uns als Indieband zu verkaufen. Das sind wir aber gar nicht.“ Und genau das ist auch der Grund, warum sich im dänischen Nachbarland der Erfolg nicht einstellte. Sie spielten vor dem falschen Publikum und bekamen Aufmerksamkeit von den falschen Magazinen und Radiosendern. Denn wenn man das letzte Album außen vor lässt, dann sind Nephew mehr eine Rockband mit einem nicht geringen Anteil an Synth-Sounds. Und hätten sich in Deutschland auch besser als eine solche verkaufen sollen. Auch hat sich im Laufe der Jahre einiges verändert – die musikalische Zielgruppe ist mittlerweile eine andere geworden. „Wir waren immer eine Art Sprachrohr für unsere Generation. Wenn wir nun, mit Mitte 30, Musik für Zwölfjährige machen würden, würde uns das niemand mehr abnehmen.“

In Deutschland schafften sie nie den Durchbruch: obwohl sie öfter mal, wie hier im Jahr 2005 im Kölner Underground, Konzerte gaben.

In Deutschland schafften sie nie den Durchbruch, obwohl sie öfter mal, wie hier im Jahr 2005 im Kölner Underground, Konzerte gaben.

Apropos verkaufen – auch hier hat Kristian Riis einen Rat an seine Musikerkollegen. „Es ist wichtig den kommerziellen Aspekt der Musik nicht aus den Augen zu verlieren. Wir haben eine coole Band, aber wir müssen für den Erfolg hart arbeiten. Vielleicht klingt es ein wenig altmodisch, aber wir haben sehr davon profitiert, dass wir alles selbst hart erkämpft haben.“ Junge Musiker sollten sich immer fragen, welche Kompetenzen sie haben und was ihnen fehlt. „Viele Leute brauchen noch nicht einmal konkrete Hilfe von außen, vielmehr muss man ihnen klarmachen, was sie können und was nicht. Dann haben sie schon viel gewonnen.“ Trotzdem sei Hilfe von außen immer wichtig, wie ein gutes Management und eine gute Bookingagentur.

Junge Bands sollten auf jeden Fall am Ball bleiben, für ihren Erfolg kämpfen – ohne dabei nervig zu sein. Auch Rückschläge sollten sie nicht gleich entmutigen. Außerdem sollten sie von außen auf ihr Produkt schauen. Sich immer wieder fragen, ob es gut genug ist und sich dafür auch ein Publikum finden lässt. „Das ist nicht einfach, also holt euch Hilfe von Menschen, denen ihr vertraut.“

Junge Musiker brauchen Personen von außen, denen sie vertrauen: Management und Agentur 

Kurz gesagt: „Künstler sollten einzigartige Produkte erschaffen und gute Songs schreiben. Und sie sollten verstehen, dass ein richtiges Branding sehr wichtig ist. Und nicht zu verachten: Sie sollten alles, was sie machen, mit viel Herzblut tun.“

Doch kann man, in Zeiten in denen sich die Musikindustrie radikal im Umbruch befinder, dann auch von dem Leben, was man als Musiker verdient? „Mit unserer Agentur Volcano versuchen wir genau das für unsere Musiker zu erreichen.“ Dennoch sei es gar nicht so verkehrt, kein Vollzeit-Musiker zu sein. „Für mich und den Rest von Nephew war es nie verkehrt, dass wir keine Vollzeitmusiker sind. Wir denken, dass uns das Leben auf diese Weise mehr Input für den kreativen Prozess geben kann. Es macht einfach keinen Sinn nur Songs über das Touren zu schreiben und sich nur um sich selbst zu drehen.“ Aber tatsächlich hinge es ganz vom Menschen ab, ob ein Musiker seine Kreativität als Vollzeit- oder Nebenjob ansieht. „Manche müssen sich voll und ganz auf den kreativen Prozess konzentrieren – und das sollen sie dann auch können.“

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